Wir fördern Pferdeforschung auf höchstem Niveau: Die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd (GWP) zeichnet auch 2024 wieder wie jedes Jahr die besten Bachelor- und Masterarbeiten sowie Dissertationen mit den GWP-Förderpreisen aus. Gewürdigt wird damit das Engagement des Forschernachwuchses. Hier sind die Zusammenfassungen der beiden Dissertationen, die von der GWP-Fachjury für den GWP-Förderpreis 2024 bewertet werden.
„Biomechanische Verfahren zur objektivierten Analyse der Sprungbewegung von Springpferden im Hochleistungssport“
Christina Fercher (Dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen, Fachbereich Sportwissenschaft)
Die Weltspitze im Springreiten ist in den letzten Jahren dicht zueinander gerückt. Nur noch ein Wimpernschlag trennt den Sieger von den Platzierten. Ziel der Arbeit ist es ein Messverfahren zur objektiven Darstellung der Springleistung von Sportpferden zu finden, um das Training und die Leistung der Athleten individuell optimieren zu können. Neben einem Inertialsensor im Sattelgurt am Pferderumpf (Four Sense) werden die Springpferde in einer Felduntersuchung mit reflektierenden Markern für eine Motion Capture Analyse (Vicon) ausgestattet und von insgesamt 14 Kameras bei der Überwindung eines Steilsprungs (Höhe 1,30m) verfolgt. Sieben Springpferde werden hierfür von ihren erfahrenen Springreitern vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die gesamte Springbewegung über die Technikmerkmale Bodenkontakte, Körperschwerpunktverlauf, Bascule und Beintechnik in den Bewegungsphasen der Sprungbewegung mit einem markerbasierten Motion Capture Verfahren objektiv abbilden und auswerten lassen. Es zeigt sich ein hohes Maß der Individualität in der Bewegungsausführung der Pferde am Sprung. Die Ergebnisse lassen einen inter- und intra-individuellen Vergleich zu. Trotz der kleinen Versuchsgruppe können erste leistungsrelevante Beobachtungen in den einzelnen Bewegungsparametern festgestellt werden. So zeigen die Pferde mit einem höheren Wettkampflevel tendenziell eine größere Absprungdistanz, eine flachere Flugkurve und eine ausgeprägtere Bascule. Zusätzlich weist die höhere Bewegungsgeschwindigkeit zu Beginn des Absprungs und der Landung darauf hin, dass diese Pferde weniger Geschwindigkeit über dem Hindernis verlieren. Der Sprungablauf fällt demnach ökonomischer aus. Für die Sportpraxis limitiert das eingeschränkte Messvolumen durch die Kameraanzahl und –positionen, sowie die Markerbefestigung auf dem Pferdefell den Einsatz eines Motion Capture Systems im Springreiten.
Der verwendete inertiale Messsattelgurt eignet sich auf Grund der überprüften Messgenauigkeit nicht für eine inertiale Sprunganalyse im Hochleistungssport. Der innovative Einblick in die Springbewegung der Pferde ist dennoch vielversprechend zu bewerten. Vorteile liegen in der einfachen, ortsunabhängigen und kostengünstigen Nutzung. Technologische Entwicklungen und neuere Sensorgenerationen führen dazu, dass auch inertial-sensorbasierten Bewegungsanalysen von Springpferden umsetzbar werden können.
„Overview of studies on aetiology and the current situation of equine headshaking syndrome in different European countries“
Laura Maxi Stange (Dissertation, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät)
Das equine Headshaking Syndrom (EHS) ist eine komplexe Erkrankung des Pferdes, deren Ätiopathogenese bislang nicht vollständig geklärt ist. Das Syndrom manifestiert sich in unphysiologischen Bewegungen von Kopf und Nacken, welches erkrankte Pferde im Handling, ihrem Wohlbefinden und der Reitbarkeit einschränkt. In der vorliegenden Studie wurde ein Beitrag zum Wissensstand des idiopathischen EHS geleistet, indem der Status Quo sowie die wirtschaftliche Bedeutung betroffener Pferde in Deutschland und weiteren europäischen Ländern skizziert wurden und allgemeine Gesundheitsuntersuchungen an idiopathischen Headshakern und passenden Kontrollpferden durchgeführt wurden. Zusätzlich wurden die Auswirkungen des Reitens auf idiopathische Headshaker anhand von physiologischen und ethologischen Indikatoren untersucht.
Basierend auf einer Online-Befragung deutscher Pferdebesitzer (n = 163) betrifft das EHS nicht, wie in der Literatur bislang beschrieben, vorrangig Vollblüter, sondern auch Warmblüter. Um das konträre Signalement zu eruieren, wurde die Umfrage auf weitere europäische Länder (Frankreich (n = 804), Schweiz (n = 129)) ausgedehnt. Es zeigte sich, dass die Rasseverteilung der Headshaker der des jeweiligen Landes entspricht. Eine weitere Online-Umfrage gerichtet an Züchter und professionelle Bereiter (n = 628) diente dazu, die ökonomische Bedeutung des EHS abzuschätzen. Die finanziellen Verluste belaufen sich auf 10-15% des ursprünglichen Verkaufswerts. Auf Basis der Erhebung und Analyse von 46 Gesundheitsdaten sowie Bluttests von je 23 Headshakern und Kontrollpferden konnte ein Zusammenhang zwischen dem Borna Virus und EHS ermittelt werden. Um den Einfluss des Reitens zu untersuchen, wurden die Zusammenhänge zwischen physiologischen sowie ethologischen Indikatoren in Reittests mit 16 idiopathischen Headshakern und 12 Kontrollpferden ausgewertet. Es konnte geschlussfolgert werden, dass das Reiten einen vernachlässigbaren Einfluss auf die EHS hat. Die Verwendung eines Nasennetzes führt zu einer Symptomreduzierung bestimmter Headshakingbewegungen. Insgesamt bietet diese Studie einen Überblick über das Signalement betroffener Pferde aus europäischen Ländern. Diese Studie ist ein erster Schritt, um den Einfluss des Reitens auf von EHS betroffene Pferde zu untersuchen und trägt im Allgemeinen zu einem besseren Verständnis von EHS bei.
Hier finden Sie die Kurzbeschreibungen der Master- und Bachelor-Arbeiten:
GWP-Förderpreis 2024: Fachjury bewertet 2 Masterarbeiten
GWP-Förderpreis 2024: Fachjury bewertet 14 Bachelorarbeiten
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