von Christine Felsinger/GWP
Michael Putz, von 2013 bis 2023 im GWP-Vorstand, ist seit 2023 nun Ehrenmitglied. Er versteht sich als Mann der Praxis. Bei seinem Engagement für die Förderung der Pferdeforschung ist es ihm besonders wichtig, dass wissenschaftliche Erkenntnisse den Weg in die Breite, sprich: zu allen Reitern, Ausbildern und Richtern finden. Und hier, findet Michael Putz, gibt es noch viel zu tun!
Herr Putz, welchen Nutzen hat die Pferdeforschung für die Praxis der Reiter und Pferdehalter?
Das ist sehr differenziert zu sehen; sicherlich gibt es Projekte, bei denen es anfangs, ich drücke mich jetzt einmal etwas laienhaft aus, nur um die Befriedigung der „wissenschaftlichen Neugierde“ geht. Dies schließt freilich nicht aus, dass daraus letztendlich doch etwas für die Praxis Verwertbares herauskommt. Interessant ist, wie „alte“ Erkenntnisse oft durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt werden.
Und wer profitiert aus Ihrer Sicht von solchen Erkenntnissen: Pferde-Profis, Sportreiter, Züchter, Richter, ganz normale Reiter?
Unter dem Strich sicherlich alle. Wobei ich mir wünschen würde, daß mehr Profis bzw. professionelle Amateure sich für solche Forschungen überhaupt interessieren würden. Da sind die sogenannten ambitionierten Freizeitreiter häufig interessierter.
Welche Themen der Pferdeforschung sind Ihnen persönlich besonders wichtig?
Interessant sind sicherlich die meisten, soweit Sie für mich als Praktiker einigermaßen verständlich publiziert werden. Wichtig sind für mich besonders Untersuchungen und deren Ergebnisse, die auch für den „normalen“ Pferdehalter, Reiter und besonders für die Ausbilder sowie Richter hilfreich sind.
Welche pferdewissenschaftlichen Erkenntnisse stachen im Bereich Ausbildung und Training besonders hervor und haben etwas bewegt?
Natürlich alle, die pferdegerechteres Reiten und Ausbilden fördern. Ich denke da etwa an die Erkenntnisse im Zusammenhang mit Hyperflexion oder über die Beobachtungsweise von Richtern – Stichwort Eye-Tracker.
Wo sehen Sie durch Studien rund ums Pferd unsere traditionelle Reitlehre bestätigt, wo vielleicht auch revidiert?
Bestätigt wurde bzw. wird unsere klassische deutsche Reitlehre besonders durch die Erkenntnisse moderner Biomechanik-Forschung, und zwar bei Pferd und Reiter(-sitz). Spontan fällt mir nichts ein, wodurch unsere Reitlehre tatsächlich revidiert würde.
Wie lassen sich pferdewissenschaftliche Erkenntnisse im Alltag der Ställe, Reithallen und Turnierplätze umsetzen?
Das ist leider gar nicht so einfach. Profis nehmen sich nämlich meist nicht genügend Zeit, sich um Wissen und ihre eigene Weiterbildung zu kümmern. Und dem durchschnittlichen Reiter und Pferdehalter fehlt meist eine regelmäßige Betreuung oder wenigstens die Gelegenheit zum Gedankenaustausch mit einem Fachmann. Die Flut von immer neu auch in der sogenannten Fachpresse propagierten Spezialausbildern, Gurus oder Therapeuten verwirrt sicherlich mehr, als sie hilft.
Welche Forschungsthemen zur Pferdeausbildung würden Sie sich noch wünschen?
Ich habe da keine speziellen Wünsche. Vielleicht wünschte ich mir ein paar mehr praxisbezogene Aussagen im Bereich Lernen und Unterrichtserteilung; im Moment geht ja leider auch im Zusammenhang mit Reitausbildung etwas der „Kompetenzwahn“ um, wobei leider meist die Wertschätzung der Handlungskompetenz die der Fachkompetenz weit übertrifft.
Über das GWP-Ehrenmitglied
Michael Putz ist erfolgreicher Reiter aller Disziplinen bis zur Klasse S, Pferdewirtschaftsmeister und Träger des Goldenen Reitabzeichens. Er verfügt über eine jahrzehntelange Erfahrung als Ausbilder auf allen Ausbildungsstufen sowohl in der Dressur als auch im Springen und als Turnierrichter bis Grand Prix.
Er war unter anderem mehr als 15 Jahre als Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster in Westfalen tätig, an der vor allem auch Trainer und Pferdewirtschaftsmeister sowie Turnierrichter ausgebildet und geprüft werden.
Seit 2001 arbeitet Putz freiberuflich als Dressurausbilder. Er gibt Einzelunterricht, leitet Lehrgänge für Profis und Amateure und referiert bei Seminaren, u.a. für die Deutsche Reiterliche Vereinigung FN. Seit über 20 Jahren ist er als Sachverständiger in hippologischen Fragen tätig.
Michael Putz ist Mitautor der Richtlinien für Reiten und Fahren (Standard-Reitlehre der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, aktuelle Neuausgabe von 2012), hat mehrere eigene Fachbücher, die inzwischen Bestseller sind, geschrieben bzw. herausgegeben, u.a. „Richtig Reiten – eine Herausforderung“, in dem er sich auch kritisch mit einigen Dingen im heutigen Reit- und Turniersport auseinandersetzt.
Kontakt: michael-putz.de
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