Christine Felsinger, Foto: Felix Knaack Allgemein

Wissen über Körper und Psyche in möglichst viele Köpfe bringen, damit es Pferden besser geht: Das ist mir, Christine Felsinger, als Biologin und Journalistin privat wie beruflich seit über 30 Jahren ein Herzensanliegen, und deshalb engagiere ich mich im Vorstand der GWP für den Wissenstransfer zwischen Pferdeforschung und Praxis. Das heute viel beschworene Tierwohl erreichen wir auf breiter Front nur, wenn das Knowhow rund ums Pferd möglichst viele Pferdehalter, Reiter, Ausbilder, Therapeuten und Züchter in verständlicher Form erreicht. Pferdewissen muss Reiter faszinieren und motivieren, das Beste für ihr Pferd zu tun.

Als ich 1978, mit zwölf Jahren, meine ersten Reitstunden nahm und die üblichen Abzeichen hinter mich brachte, standen zehn Schulpferde im schwäbischen Traditionsreitverein den ganzen Tag mit dem Kopf zur Wand im Ständer und kamen nur heraus, um uns steife Reitschüler durch die Halle zu schleppen. Die Stoßzügel wurden nur zur Springstunde ausgeklinkt, wenn der Lehrer (es war Walter Zettl, der Jahrzehnte später dann die kanadische Dressur-Equipe trainierte, was mich doch überraschte…) ein paar auserwählte Schulpferde mit Longierpeitschen und Gebrüll durch den Parcours jagte. Geländereiten war selten und verursachte entsprechende Adrenalinschübe bei Mensch und Tier.

Später, als Studenten, entdeckten wir allmählich, dass es eine Welt jenseits staubiger Hallen und überbordender Kraftfutterkrippen gab: Wir packten unsere ersten eigenen Pferde auf Paddocks, türmten Heu in die Box, galoppierten im Westernsattel querfeldein, sprangen über jeden Baumstamm, machten – learning by doing – unzählige Fehler und wurden aus Erfahrung ein klein wenig klüger.

Der Hype ums Pferd begann, und wir wussten zu wenig

Wissenskultur und Medienlandschaft rund ums Pferd waren dürr, als in den 1990-er Jahren der Hype beim Hobby Pferd einsetzte: Reitvereine mussten in alle Ecken Boxen-Provisorien bauen, Bauern packten statt Kühen Pferde in die Ställe, und die Ponyhütten der Selbstversorger schossen wie Pilze aus dem Boden. Altes Meisterwissen war entweder vergessen oder nicht praktikabel für die Selfmade-Reiter von heute. Es gab trockene Lehrbücher, die kaum einer kannte. Es gab Pferdemagazine, die traditionell über Turnierergebnisse berichteten und solche, in denen Pferdebesitzer sich gegenseitig mit Erfahrungen über Fütterung und Haltung versorgten. Ich klammerte mich an mein 834 Seiten dickes „Handbuch Pferd“ von 1984.

1998, voll frischer Erfahrungen mit dem ersten eigenen Fohlen und mit dem journalistischen Handwerkszeug der Tageszeitung, kam ich zur zwei Jahre jungen Zeitschrift Cavallo. Sie wuchs binnen eines Jahres zum größten deutschen Pferdemagazin, und ich konnte als Textchefin und Chefredakteurin ein internationales Expertennetzwerk aufbauen, recherchierte in PubMed & Co. nach Studienergebnissen zu Mensch, Maus und Pferd – mit dem Ziel, ein Themenspektrum zu etablieren, das den Bogen von der universitären Forschung zum normalen Pferdebesitzer schlug: Er sollte mit verständlichen Artikeln und praxisnahem Infotainment bei den Messen Equitana und „Pferd & Jagd“ sowie der Cavallo Academy den Zugang zu Wissen bekommen, das Tierärzte und Reitlehrer ihm mangels Zeit, mangels eigener Weiterbildung und oft auch mangels kommunikativer Fähigkeiten nicht vermitteln wollten/konnten.

Hafer, Homöopathie, Hyperflexion: von Traditionen und Trends

Hunderte Artikel zu Medizin, Fütterung, Haltung und Pferdeverhalten konzipierte und schrieb ich in dieser Zeit. Liebte es, Trends zu erspüren und Wissen zu sammeln, das mich selbst interessiert – etwa die unterschätzte Gefahr durch (Band-)Würmer, die in den 1990er Jahren noch nicht so salonfähig waren. Durchlebte zusammen mit unseren Lesern Euphorie und Elend der ersten professionellen Laufstallkonzepte, analysierte mit Hilfe internationaler Verhaltensexperten den Trainingsstress bei der Monty-Roberts-Methode und die Hyperflexions-Praktiken auf Abreiteplätzen. Experimente, Tests, Messungen und Vergleiche, etwa bei Hufbearbeitungsmethoden oder Satteldruck, waren in der Pferdebranche damals Neuland. Eines meiner Lieblingsthemen: Mythen und Fakten in Medizin und Pferdefütterung. Es galt, mit Hilfe renommierter Futterexperten wie GWP-Vorstandsmitglied Professor Ellen Kienzle eine Lanze zu brechen für die Qualitäten des Hafers, die vom Müsli verschüttet zu werden drohten, Wirk-Eigenschaften von Mash kritisch zu hinterfragen oder den Placebo-Effekt von Bach-Blüten und Homöopathie zu durchleuchten.

Von Olympiasiegerin Nicole Uphoff, die mit dem sensiblen Wallach Rembrandt schon in den 1980-er Jahren die ersten Rollkuren zeigte, wollte ich 2007 wissen, mit welcher klassischen Reitlehre sie diese Trainingsmethode begründen kann. Sie antwortete: „Keine Ahnung, ich habe noch nie eine Reitlehre gelesen.“ Da wusste ich: Wir haben immer noch viel zu tun, um Pferdewissen in alle Köpfe und Herzen zu bringen.

Über das GWP-Vorstandsmitglied

Christine Felsinger erwarb ihren Magister der Biologie und Germanistik an den Universitäten Stuttgart und Stuttgart-Hohenheim, absolvierte das Aufbaustudium Journalistik/Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim und das klassische Zeitungsvolontariat. Sie arbeitete für die Deutsche Presse-Agentur dpa und als Tageszeitungsredakteurin, von 1998 bis 2015 war sie Textchefin und Chefredakteurin beim Reitsportmagazin Cavallo. 2015 gründete sie ihren Blog freundpferd.de und konzipierte 2016 als Chefredakteurin das Bookazine der klassischen Reitweisen „ReitKultur“, reitkultur.eu. Christine Felsinger ist stellvertretende Verlagsleiterin im Stuttgarter DoldeMedien Verlag und verantwortlich für alle journalistischen Produkte sowie für die Chefredaktion „Food“, Wissensforum für Ernährung und Gesundheit.
Kontakt: felsingerc@gmail.com

 


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