Helena Linnenbrügger (Bachelorarbeit, Freie Universität Berlin)
Im Studiengang Pferdewissenschaft an der Freien Universität Berlin entstand die Bachelorarbeit von Helena Linnenbrügger zur Fragestellung „Wie belastend ist die Siegerehrung im Reitsport?“ Eine Umfrage, die Basis dieser Arbeit war, machte deutlich, dass die Siegerehrung ein nicht unerhebliches Verletzungsrisiko birgt.
Gerade auf Turnieren ist neben der sportlichen Leistung auch die mentale Stärke von Pferd und Reiter gefordert. Neben dem Feiern von Erfolgen sind in Siegerehrungen jedoch auch eine Reihe Stressoren, teils auffälliges Pferdeverhalten und riskante Situationen beobachtbar. Um mehr über Belastung, Verletzungsrisiken, Unfälle sowie Alternativen zur „klassischen“ Durchführung von Siegerehrungen herauszufinden, wurde eine Online-Befragung durchgeführt. 700 Turnierreiter der Disziplinen Dressur und Springen gaben ihre Erfahrungen, Einstellungen und Empfindungen an.
31,3% der Reiter sind in Siegerehrungen angespannt. Mehr Anspannung herrscht jedoch auf dem Abreiteplatz und in der Prüfung. Pferde sind mit 48% in Siegerehrungen am angespanntesten. Die meiste Unruhe zeigen sie als Reaktion auf die Ehrenrunde, Applaus und das Warten/Stillstehen. Am häufigsten wurde Rückwärtsgehen/Zurückweichen, Tänzeln und unkontrolliertes Angaloppieren/Antraben der Pferde beobachtet. Zwischen der Anspannung von Pferd und Reiter in Siegerehrungen konnte ein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden (p<0,001).
Laut 60,6% der Umfrageteilnehmer birgt die Siegerehrung ein erhöhtes bis hohes Verletzungsrisiko. 7,4% der Reiter erlitten im Laufe ihrer Turnierkarriere einen Unfall während einer Siegerehrung. 7,6% gaben einen Unfall des gerittenen Pferdes an. Stress des Pferdes ist Hauptauslöser der Unfälle, Tritte werden als häufigste Unfallursache beschrieben. Geschlossene Weichteilverletzungen sind die meist genannten Verletzungsarten. Pferde waren deutlich verletzungsanfälliger als Reiter: Während 42,3% der Reiter keine Verletzungen davontrugen, waren dies nur 17% der Pferde. 50,9% von ihnen lahmten in Folge des Unfalls.
Die Teilnahme des Pferdes an der Siegerehrung wird besonders für Zuschauer und Sponsoren, weniger für den platzierten Reiter, als wichtig eingeschätzt. Grundsätzlich würden 19,4% aller Befragten am liebsten zu Fuß an Siegerehrungen teilnehmen. Eine freiwillige Teilnahme mit Pferd befürworten 40,1%. Die Vorschläge, Siegerehrungen in den unteren Klassen/Anfängerwettbewerben ohne Pferd stattfinden zu lassen, ein anderes (ruhigeres) Pferd zu reiten oder nach dem Schleifenempfang ohne Teilnahme an der Ehrenrunde wieder hinauszureiten, wurden besonders positiv bewertet.
Kurzbiografie
- Geboren am 01.03. 1998 in Baden-Baden
- 2014: Austauschschülerin in Melrose, Minnesota (USA)
- 2016 Abitur in Bühl
- 2019: Abschluss Bachelor of Science nach Studium Pferdewissenschaft an Freie Universität Berlin
- Seit 2019 Masterstudiengang Pferdewissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen
Helena Linnenbrügger
… ihr persönlicher Bezug zum Pferd
Obwohl ich aus keiner Reiterfamilie stamme, wurde mir schon früh der Zugang zu Pferden ermöglicht. Seit ich 6 Jahre alt bin, nehme ich Reitunterricht. In den Semesterferien unterstütze ich zu Hause den Betrieb, in dem ich schon zu Schulzeiten geritten bin. Dort sowie auf dem Gestüt Birkhof bei Familie Casper habe ich auch meine Praktika absolviert.
… was sie bewogen hat, das Thema Pferd auch zu ihrem beruflichen Schwerpunkt zu machen
Nach meinem Abitur habe ich mich recht breitgefächert beworben. Als ich von dem Studiengang Pferdewissenschaft an der Freien Universität Berlin erfuhr, ließ mich der Gedanke, mein Hobby zu vertiefen, aber nicht mehr los. Als ich dann die Zulassung erhielt, wusste ich sofort, DAS möchte ich machen! Die vielseitige Branche und komplexen Themengebiete, von Tiermedizin bis Ethologie, finde ich sehr interessant und ich habe meine berufliche Ausrichtung bisher nicht bereut.
… welcher Aspekt Sie besonders an dem Thema ihrer Bachelorarbeit fasziniert
Ich fand es besonders spannend, durch meine Umfrage Einblicke in die Empfindungen vieler Reitsportler zu einem Thema von aktueller Relevanz zu erhalten. Mediale Diskussionen hatten das Thema „Siegerehrung“ für mich in den Fokus gerückt. Tierwohl liegt mir am Herzen und ich würde mir wünschen, durch meine Arbeit eine Grundlage für weiterreichende Überlegungen geschaffen zu haben.
Empfohlene Beiträge
GWP-Förderpreis 2024 – Sieger-Masterarbeit: Harald Unseld über Grünschnittkompost als nachhaltige Einstreu für Pferde
24 Apr 2024 - GWP-Förderpreis, GWP-Förderpreis 2024