
Die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd (GWP) hat 2025 drei Dissertationen ausgezeichnet und auf der EQUITANA in Essen die Sieger und die Prämierten präsentiert. Hier ist die Zusammenfassung der prämierten Dissertation von Sandra Eckardt. Die GWP, die Fachjury und die Förderpartner gratulieren herzlich!
„Pferdewissen. Ein wissensanthropologischer Blick in die Hannoveraner Pferdezucht“
Sandra Eckardt (Dissertation, Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie)
Das Wissen um Pferde und Pferdezucht ist ein über Jahrhunderte gewachsenes Kulturgut und gleichzeitig ein gewichtiges wirtschaftliches Gut. Der Fokus dieser kulturanthropologischen Studie liegt auf den aktuellen Bedingungen bei der Zucht von „Hannoveranern“, einer der weltweit größten und am weitesten verbreiteten Pferdezuchten. Deren Basis – die Züchterschaft – als auch die Entwicklung des Wissens über Pferde, sind traditionell eng mit der Landwirtschaft verbunden. Diese traditionelle Struktur ländlicher Stutenzüchter*innen ist zunehmend im Wandel begriffen. So wie sich die Nutzung des Pferdes verändert hat, so haben sich auch die Akteure, die sich an der Pferdewirtschaft beteiligen sowie das Zuchtwissen vervielfältigt.
Die Studie untersucht den Umgang mit Pferdewissen unter verschiedenen Akteursgruppen im Bundesland Niedersachsen. Dahinter stehen die leitenden Fragen: Was ist Pferdewissen und wie verändert es sich gegenwärtig, insbesondere in der ländlichen Stutenzucht? Die Autorin begleitet den Arbeitsalltag landwirtschaftlicher Familienbetriebe, die Hannoveraner Pferde züchten, und folgt der Entwicklung einzelner Pferde von der Geburt bis zum erfolgreichen Athleten.
Wissenschaft und Zuchtpraxis ringen um Praktiken und Systeme, die mehr Verlässlichkeit in den risikobehafteten Bereich der Zucht bringen. Beide Bereiche durchdringen sich und bauen aufeinander auf. Pferdewissen lässt sich im Vergleich zu anderen Tierzuchten schwerer wissenschaftlich standardisieren. Das, was nicht messbar ist, füllen Züchter*innen mit ihrem Erfahrungswissen aus. In den Strukturen eines Arbeitsalltages, der durch das tägliche Miteinander der Körper von Menschen und Tieren geprägt ist, baut sich solches verinnerlichtes Erfahrungswissen auf. Als Kern des Pferdewissens, wie es auch in landwirtschaftlichen Familienbetrieben aufgebaut wurde und wird, besitzt es in gegenwärtigen Kontexten von Pferdesport und -zucht nach wie vor große Relevanz und ist allein beispielsweise durch wissenschaftliches Wissen nicht ersetzbar. Bei den Züchtenden ist die Frage nach den Wissensmilieus, deren Teil die Akteur*innen qua landwirtschaftlich familiärem Hintergrund sind oder zu dessen Kanon spezifisch landwirtschaftlicher Ansichten sie als Quereinsteiger*innen und Neue Zugang haben und finden, nach wie vor von Bedeutung. Der Austausch von Wissen erfolgt vor allem über informelle Wege und weniger über wissenschaftlich organisierte Zugänge.
Die Studie bringt den Komplex „Pferdewissen“ denjenigen näher, die selbst nicht Insider dieser Community sind, so wie es sich kulturanthropologisches Forschen generell zur Aufgabe macht. Für diejenigen, die selbst Teil der Pferdewelt sind, soll die Studie eine Würdigung der vielfältigen Wissensbestände und -praxen darstellen.
Über Sandra Eckardt
… ihr persönlicher Bezug zum Pferd
Als neugierige Städterin und Wissenschaftlerin, ohne familiäre Anbindung an ländliche Lebenswelten und engere Kontakte zu Pferden, habe ich das Forschungsprojekt begonnen. Dafür war und ist mein Interesse an dieser Lebenswelt umso größer. Die Arbeit an der Dissertation ermöglichte mir, dass ich über einen längeren Zeitraum einen Blick in die Pferdewelt werfen konnte. Das hat meinen Bezug zum Pferd und den Menschen dahinter nachhaltig verändert. Intensive Begegnungen mit Pferden, denen ich ohne die Trennung durch einen Zaun nahekommen konnte, entwickelten sich über meine Besuche auf verschiedenen Zuchtbetrieben. Nach wie vor habe ich Kontakt zu Züchterinnen und Pferden und fühle mich der Pferdewelt auf eine besondere Weise verbunden, was sich auch nicht mehr ändern wird.
… was sie bewogen hat, das Thema Pferd auch zu ihrem beruflichen Schwerpunkt zu machen
Weil das Pferd eine große Bedeutung für die Kultur und Wirtschaft des Bundeslandes Niedersachsen und weit darüber hinaus hat, entstand vor Jahren in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Studierenden ein gemeinsames Ausstellungsprojekt mit dem Titel „Pferd – Kultur – Niedersachsen“. Während unserer Recherchen traf ich zum ersten Mal auf Praktikerinnen und Praktiker aus der Hannoveraner Zucht. Die Gespräche mit ihnen machten mich neugierig auf den Arbeitsalltag der Familien, die traditionell hinter der Zucht der wunderschönen Pferde stehen.
… welcher Aspekt sie besonders am Thema ihrer Arbeit fasziniert
Mich interessiert sehr das vielfach verinnerlichte Wissen um Pferde und Pferdezucht, das sich schwer in Worte fassen lässt und über den alltäglichen Umgang zwischen Pferden und Menschen wächst. Wie lässt es sich als Teil eines komplexen Wissens greifbar machen und einem Publikum, das selbst weniger Bezug zu Pferden hat, näherbringen?
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