Allgemein / GWP-Förderpreis 2026 / Neues aus der Pferdeforschung
Wir fördern Pferdeforschung auf höchstem Niveau: Die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd (GWP) zeichnet auch 2026 wieder wie jedes Jahr die besten Dissertationen sowie Bachelor- und Masterarbeiten mit den GWP-Förderpreisen aus. Gewürdigt wird damit das Engagement des wissenschaftlichen Nachwuchses. Hier sind in alphabetischer Reihenfolge die Zusammenfassungen der Dissertationen, die von der GWP-Fachjury für den GWP-Förderpreis 2026 bewertet werden.
„Biomechanik der thorakolumbalen Wirbelsäule des Pferdes und Einfluss chirurgischer Eingriffe im Bereich der Dornfortsätze“
Natalie Baudisch (Dissertation, Freie Universität Berlin, Pferdeklinik des Fachbereichs Veterinärmedizin)
Diese Arbeit umfasst eine Literaturrecherche sowie experimentelle Grundlagenforschung zur Behandlung von Engständen der Dornfortsätze beim Pferd. Dabei wurden verschiedene konservative und chirurgische Therapieansätze mit unterschiedlich starker wissenschaftlicher Evidenz identifiziert. Besonders erfolgsversprechend erscheint eine Kombinationstherapie, die in jedem Fall einen gezielten Muskelaufbau beinhaltet und individuell angepasst wird. Chirurgisch werden zwei Methoden unterschieden: Bei der Desmotomie wird das Ligamentum interspinale, also das Band zwischen den Dorfortsätzen, durchtrennt. Die Ostektomie hingegen umfasst die vollständige oder teilweise Entfernung der Dornfortsätze.
Es wurde in interdisziplinärer Zusammenarbeit eine mechanische Konstruktion entwickelt, die es ermöglichte thorakolumbale Wirbelsäulensegmente in axiale Rotation, laterale Biegung, Flexion und Extension zu versetzen. Zur Untersuchung, ob während bestimmter Bewegungen ein erhöhter Druck im Interspinalraum entsteht und somit zur Entstehung von Pathologien beitragen könnte, wurde der Druck im Interspinalraum zwischen dem 15. und 16. Brustwirbel mithilfe eines Drucksensors gemessen. Die Messungen ergaben, dass der Druck sowohl in neutraler Position als auch während der Bewegungen konstant blieb.
Mittels Computertomographie wurde der biomechanische Einfluss spinaler Pathologien und chirurgischer Interventionen auf die thorakolumbale Wirbelsäule untersucht. Sowohl Spondylosen als auch Engstände der Dornfortsätze führten zu einer eingeschränkten Beweglichkeit dieses Wirbelsäulenabschnitts. Nach chirurgischer Intervention, sowohl nach der Desmotomie als auch der Ostektomie, wurde eine erhöhte axiale Rotationsbeweglichkeit festgestellt, während sich die Flexions-, Extension- und laterale Beweglichkeit nicht veränderten. Die Sektion der Wirbelsäulen nach den Operationen zeigte in allen Fällen eine Schädigung der seitlichen Rückenmuskulatur, die für die Wirbelsäulenstabilität zuständig ist.
Die Studie ist durch den ex-vivo-Versuchsaufbau und die geringe Fallzahl limitiert. Zur Klärung der Frage, ob die Schädigung der Rückenmuskulatur und die erhöhte Rotationsbeweglichkeit langfristig zu einer Instabilität der Wirbelsäulen führen, sind umfangreiche Langzeitstudien erforderlich, die sowohl klinische als auch biomechanische Parameter nach chirurgischen Eingriffen am Pferd berücksichtigen.
„Gesundheitsdatenbank für Pferde in Deutschland – Umfrage zur Etablierung und Nutzungsmöglichkeiten am Beispiel der Köruntersuchungen von Reitpferdehengsten“
Muriel Sarah Folgmann (Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover)
Hintergrund:
Der Gesundheitsstatus spielt in der Pferdemedizin und Pferdezucht eine zentrale Rolle, besonders bei Zuchthengsten, deren Genetik auf viele Nachkommen über-tragen wird. Bisher fehlt jedoch eine zentrale, standardisierte und digital erfasste Sammlung von Gesundheitsdaten, die eine wichtige Grundlage für Forschung und Zuchtentscheidungen darstellen könnte.
Zielsetzung:
Ziel dieser Arbeit war es, die Einstellung von Pferdetierärzt*innen zur digitalen Da-tenerfassung und zur Einführung einer zentralen Gesundheitsdatenbank für Pferde zu erfassen sowie die bestehende Datenbank erstmalig für wissenschaftliche Analysen zu nutzen, um den Gesundheitsstatus junger Reitpferdehengste zu untersuchen.
Material und Methoden:
Mittels einer Online-Umfrage wurden die Meinungen deutscher Pferdetierärzt*innen zu Digitalisierung und Datenbanknutzung erfasst. Außerdem wurden die klinischen und röntgenologischen Untersuchungsergebnisse junger Reitpferdehengste, die zwischen 2018 und 2020 zur Körung bei allen deutschen Warmblutzuchtverbänden vorgestellt worden sind, in die bestehende Gesundheitsdatenbank für Pferde ein-gepflegt und anschließend ausgewertet. Neben der Erhebung der Befundprävalenzen wurden die Einflüsse ausgewählter Umweltfaktoren, wie Köralter, Geburtssaison, Jahr der Körung und untersuchende Person, auf die Verteilung der am häufigsten dokumentierten Befunde analysiert.
Ergebnisse:
Der Großteil der befragten Tierärzt*innen arbeitet mit papierbasierten Protokollen, wären aber zu 90,2 % bereit, digitale Versionen zu nutzen. 72,3 % der Teilnehmen-den bewerteten die Einrichtung einer zentralen Datenbank positiv, wobei Bedingungen wie Datensicherheit, Benutzerfreundlichkeit und objektive Datenerhebung genannt wurden.
Bei der klinischen Untersuchung von 1655 Hengsten wurden bei 47 % keine Befunde dokumentiert. Die übrigen Pferde zeigten in der Regel nur einzelne, häufig nicht leistungsrelevante Befunde, am häufigsten in Form von Hautläsionen, Um-fangsvermehrungen oder Abweichungen bei der Hodenuntersuchung.
Röntgenologisch konnten bei 71,4 % der 1678 Hengste Auffälligkeiten festgestellt werden. Hierbei handelte es sich überwiegend um einen oder zwei Befunde, welche am häufigsten in Form von Konturveränderungen am Fesselbein und Röhr-bein, isolierte Verschattungen im Fesselgelenk oder Veränderungen an den Canales sesamoidales des Strahlbeins vorkamen.
Die Verteilungen der klinischen als auch der röntgenologischen Befundhäufigkeiten wurden signifikant durch die untersuchende Person beeinflusst.
Fazit:
Die Arbeit verdeutlicht, dass eine Gesundheitsdatenbank für Pferde ein wertvolles Instrument zur Erfassung des Gesundheitsstatus von Pferden ist, ihre Akzeptanz aber von klaren Regelungen zu Datensicherheit und Objektivität abhängt. Neben der Schaffung einer soliden Datenbasis in der bestehenden Gesundheitsdaten-bank für Pferde zeigt die Arbeit, dass der Großteil der untersuchten Reitpferdehengste klinisch gesund scheint, röntgenologisch jedoch häufiger Befunde aufweist. Eine standardisierte und kontinuierliche Datenerfassung ist allerdings entscheidend, um die Gesundheitsüberwachung der deutschen Pferdepopulation zu verbessern.
„Anwendung imputierter Sequenzlevel-Genotypen in genomischen Analysen beim deutschen Warmblutpferd“
Paula Reich (Dissertation, Georg-August-Universität Göttingen, Fakultät für Agrarwissenschaften)
Genomische Studien lassen sich auf der Grundlage von Daten unterschiedlicher Dichte durchführen. Dabei steigt mit zunehmender Datendichte der Informationsgehalt, aber auch die Kosten zur Erzeugung der jeweiligen Daten. In diesem Zusammenhang stellt die Genotyp-Imputation eine kostengünstige Alternative dar, um den Informationsgehalt genomischer Daten zu erhöhen und somit die Leistungsfähigkeit von Studien zu steigern, indem nicht direkt erfasste Genotypen anhand ihres genomischen Kontextes vorhergesagt werden.
Da diese Methode bei Pferden bislang verhältnismäßig wenig Anwendung fand und essenzielle Voraussetzungen, wie ein umfassendes Referenzpanel sequenzierter Pferde, fehlten, umfasste das erste Ziel der Dissertation die Implementierung und Optimierung der Genotyp-Imputation bei Warmblutpferden. Zu diesem Zweck wurde zunächst ein Referenzpanel aus sequenzierten Pferden unterschiedlicher Rassen erstellt und anschließend der Einfluss verschiedener Faktoren auf die Genauigkeit der Genotyp-Imputation untersucht. Auf dieser Grundlage wurde dann eine optimale, d. h. möglichst genaue, Strategie zur Imputation entwickelt, die anschließend zur Imputation einer Kohorte von rund 5.000 deutschen Warmblutpferden auf Sequenzebene genutzt wurde.
Der imputierte Datensatz wurde anschließend als Grundlage zur Durchführung verschiedener genomischer Analysen verwendet. Dazu gehörte die Identifizierung von Genomregionen, die mit dem Exterieur der Pferde assoziiert waren, einem wichtigen Selektionsmerkmal in der Pferdezucht. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Untersuchung des Stockmaßes, das außerdem als Referenzmerkmal zur Validierung der Daten und Methodik diente. Für dieses konnte insbesondere eine assoziierte Genomregion auf dem Chromosom 3 identifiziert werden, die einen relativ großen Anteil der phänotypischen Varianz des Stockmaßes erklärte und auch mit mehreren anderen Exterieurmerkmalen assoziiert war. Durch die genauere Untersuchung dieser Genomregion konnten einige potenzielle Kausalmutationen identifiziert werden, wobei eine Variante im LCORL-Gen von besonderem Interesse war.
Insgesamt gesehen trägt die Dissertation somit zur Optimierung der Genotyp-Imputation bei Pferden bei und leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung des bislang eher unzureichend untersuchten genomischen Hintergrundes des Exterieurs und insbesondere des Stockmaßes beim Pferd.
„Etablierung und Vernetzung digital gestützter Systeme auf Pferdebetrieben unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Optimierung“
Linda Thurid Speidel (Dissertation, Universität Hohenheim, Fakultät Agrarwissenschaften)
Das Management eines pferdehaltenden Betriebs umfasst eine Vielzahl arbeitswirtschaftlicher Herausforderungen. Dazu zählen unter anderem die zeitintensiven Arbeitsabläufe, das notwendige Kundenmanagement in Pensions- und Schulpferdebetrieben sowie die begrenzte Verfügbarkeit von Fachkräften. Auf Ackerbau- und Veredelungsbetrieben wird der Nutzen der Digitalisierung bereits wahrgenommen, da deren Einsatz unter anderem Potenzial zur Zeitersparnis und Arbeitserleichterung bietet. Dennoch sind Pferdebetriebe bisher wenig digitalisiert und technisiert, die Grundversorgung erfolgt meist manuell. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurde daher untersucht, welche Möglichkeiten der Digitalisierung bisher genutzt werden und unter welchen Voraussetzungen die einzelnen Systeme in Pferdebetrieben etabliert werden können. Zudem wurde analysiert, welche Auswirkungen der Einsatz dieser Systeme auf den Arbeitszeitbedarf im Pferdebetrieb hat und welche Informationen über Schnittstellen zwischen den Systemen ausgetauscht werden können.
Durch Experteninterviews, Arbeitszeitbeobachtungen und Online-Befragungen wurde untersucht, welche digitalen Systeme in den Bereichen Fütterung, Entmistung, Gesundheits- und Sicherheitsüberwachung sowie Betriebsmanagement bereits Anwendung finden und unter welchen Voraussetzungen deren Implementierung möglich ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verfügbarkeit digitaler Technologien von der Investitionsbereitschaft der Betriebsleiter, einer stabilen Strom- und Internetversorgung sowie dem Haltungssystem abhängt. Digitale Systeme werden vor allem für Überwachung und Kommunikation genutzt, während automatisierte Fütterungsprozesse selten etabliert sind. Hindernisse sind insbesondere fehlende finanzielle Mittel, unklarer wirtschaftlicher Nutzen und die Sorge um den Verlust des Tierkontakts.
Die Untersuchungen zeigten eine potenzielle Arbeitszeitersparnis von bis zu 65 % bei automatisierter Fütterung und Entmistung. Auch in der Kundenkommunikation liegt Einsparpotenzial, da durch digitale Systeme z. B. Futteranpassungen automatisiert dokumentiert und kommuniziert werden können. Eine bessere digitale Dokumentation verringert zudem Fehler und Missverständnisse.
An einem Schnittstellen-Konzepts das den Datenaustausch zwischen Fütterung, Entmistung, Gesundheitsüberwachung und Betriebsmanagement verbessert, zeigte mehr als die Hälfte der befragten Betriebe Interesse. Zukünftige Studien sollten weitere Gründe für oder gegen Vernetzung untersuchen und zusätzliche Systeme wie Solarium oder Aquatrainer einbeziehen.
Insgesamt bietet die Digitalisierung großes Potenzial zur Effizienzsteigerung, Entlastung des Personals und Verbesserung von Kommunikation und Tierwohl – wichtige Voraussetzungen für nachhaltige, zukunftsfähige Pferdebetriebe.
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