von Christine Felsinger/GWP
Wie dauerhaft ist das im Training Gelernte bei Pferden? Mit dieser Frage beschäftigen sich Vivian Gabor und Martina Gerken und stellten die Ergebnisse ihrer Studie 2018 bei den Göttinger Pferdetagen vor. Das Pferd muss sich bei der heutigen Nutzung in Sport und Freizeit an sich ändernde Umweltreize anpassen. Dies verlangt ihm verschiedenste Lern- und Gedächtnisleistungen ab. Der Mensch ist dabei ein wichtiger „Reizgeber“, dessen Signale vom Pferd im Idealfall wahrgenommen, verstanden und in eine Reaktion umgesetzt werden.
„Konzentration bitte! Die Auswirkung von Lerntraining auf die Aufmerksamkeit von Pferden“
Vivian Gabor und Martina Gerken, Vortrag Göttinger Pferdetage 2018
Konzentration ist Basis für die Kommunikation Mensch-Pferd. Dabei stellt die Aufmerksamkeit des Pferdes auf die relevanten Reize und die Zeitspanne, in der diese Konzentration aufrecht gehalten werden kann, eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation zwischen Mensch und Pferd dar. Die gewünschte Reaktion des Pferdes sollte für eine effektive Leistungssteigerung auch nach Trainingspausen wieder abrufbar sein.
Pferde sind zu höheren kognitiven Leistungen wie dem abstrakten Lernen fähig: Sie konnten sich in Untersuchungen noch nach zehn Jahren an das Erlernte erinnern. In der aktuellen Studie wurde die Abrufbarkeit einer höheren kognitiven Aufgabe nach zwölf Monaten Trainingspause überprüft, in der die Tiere (im Gegensatz zu bisherigen Studien) keine Lern- und Trainingsreize erfahren hatten. Drei Shetlandponys lernten auf der Grundlage eines „matching-to-sample“ Tests, Anzahlen bis „5“ voneinander zu unterscheiden (siehe Foto oben).
Beim Versuchsdesign „Prinzip der Gleichheit“ lernten die Tiere, die richtige, einem Beispielreiz (Muster) entsprechende Wahlmöglichkeit zu wählen. Mit Hilfe einer computergestützten Lernapparatur wurden die Lernreize auf einem Flachbildschirm dargestellt und die Wahl der Pferde über einen Knopfdruck angezeigt. Es wurden verschiedene Schwarz-Weiß-Symbole in einer Dreiecks-Anordnung präsentiert. Dabei gab das mittig oben gezeigte Symbol (Muster oder sample) vor, welche der beiden unteren Wahlmöglichkeiten als „richtig“ galt.
Nach einem Jahr wurden den Pferden nach demselben Design verschiedene Gedächtnisaufgaben gestellt. In vier Sessions mit jeweils 20 Entscheidungsdurchgängen wurde den Pferden erst die Unterscheidung „2 vs. 3“ geometrischer Figuren präsentiert. Anschließend wurden in jeweils zehn Sessions die Transfersymbole des mts und als dritter Gedächtnistest die anfänglichen Symbolunterscheidungen von Kreuz und Kreis präsentiert.
Nach diesem einen Jahr ohne weiteres Lerntraining zeigte sich: Die prozeduralen Anteile der Aufgabe: das Hineingehen in den Versuchsstand und das Betätigen der Apparatur, wurden noch gut erinnert und ausgeführt. Die höhere kognitive Aufgabe, die Anzahlerkennung und selbst eine einfachere „matching-to-sample“ Aufgabe, waren jedoch nicht mehr abrufbar. Ein Testdurchlauf in diesem Versuch dauerte etwa sieben Minuten, in denen die Aufmerksamkeit der Pferde auf die präsentierten Unterscheidungsreize gefordert war.
Nach Trainingspause muss auch die Konzentration aufgebaut werden
Die Ergebnisse zeigen, dass die Lernform für die Abrufbarkeit des Gelernten mitentscheidend ist. Sie sprechen dafür, dass nicht nur die Verknüpfung von Reiz und Reaktion und deren wiederkehrendes gemeinsames Auftreten (Kontinuität und Kontingenz) eine wichtige Rolle für gute Gedächtnisleistungen spielt, sondern wahrscheinlich auch das Trainieren der Konzentration des Pferdes. Hier scheint eine Aufmerksamkeitsspanne von unter zehn Minuten schon als gut trainiert zu gelten. Diese erlernte Konzentrationsfähigkeit war ohne kontinuierliche Lernreize nach einem Jahr nicht mehr abrufbar. Bei erlernten Bewegungsabläufen hingegen scheinen das Erinnern sowie die Wiedergabe implizit und ohne bewusste Konzentration zu erfolgen.
Zu vermuten ist demnach, dass kontinuierliches Lerntraining notwendig ist, um die Konzentrationsspanne und damit die Aufmerksamkeit des Pferdes auf komplexere Aufgaben aufrecht zu erhalten. Für den Trainingsalltag bedeutet dies, dass nach einer längeren Trainingspause auch die Konzentrationsfähigkeit des Pferdes wieder trainiert werden muss, damit beim Pferd Lern- und Gedächtnisleistungen optimal abrufbar sind.
Diese Erkenntnisse sollten im praktischen Training des Pferdes beachtet werden. Wenn wir davon ausgehen, dass nach einer Trainingspause nicht nur die physiologischen Eigenschaften des Pferdes, sondern auch dessen kognitiven Fähigkeiten auf einen vergangenen Leistungsstand gebracht werden müssen, gilt es besonders auf die Dauer des konzentrierten Trainings zu achten. Dem Lernvermögen und der Gedächtnisbildung des Pferdes angepasste Trainingsmethoden erlauben dem Pferd, neue Assoziationen zu bilden oder alte effektiv abrufbar zu machen.
Über die Pferdeforscherinnen
Dr. Vivian Gabor ist Diplom-Biologin (Universität Tübingen), promovierte Pferdewissenschaftlerin (Universität Göttingen) und FN-Trainerin B, Leistungssport Reiten. Sie leitet ein Aus- und Weiterbildungsinstitut für Mensch und Pferd, das „Institut für Verhalten und Kommunikation“ in Einbeck/Niedersachsen. In ihren Seminaren und Lehrgängen liegt der Schwerpunkt bei der Optimierung der Kommunikation zwischen Mensch und Pferd für ein sinnvolles und pferdegerechtes Pferdetraining. Die Wissenschaft mit der Praxis zu verknüpfen ist ein wichtiges Ziel, das sich Vivian Gabor dabei setzt. Gabor ist außerdem wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Göttingen im Department für Nutztierwissenschaften. Dort lehrt sie auf dem Gebiet der Pferde Ethologie und betreut Bachelor- und Masterarbeiten des Studiengangs Pferdewissenschaften. Kontakt: www.viviangabor.de
Prof. Martina Gerken ist Lehrstuhlinhaberin am Department für Nutztierwissenschaften, Abteilung Ökologie der Nutztierhaltung, Georg-August-Universität Göttingen. Kontakt: www.uni-goettingen.de
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